Ehrenamt

Ehrenamtliche Arbeit und Sorgearbeit in der Selbständigkeit von Frauen

Kannst du dir das wirklich leisten? Nicht für Geld zu arbeiten? Deine Zeit, deine Kompetenz und deine Kraft in ehrenamtliche Arbeit zu geben? Das sind ehrlich gemeinte und provozierende Fragen, die ich uns Frauen in Selbständigkeit gerne stellen möchte.

Wir Frauen gründen oft soziale und gesellschaftsrelevante Businessmodele. Dabei steht das Geld nicht an erster Stelle, sondern die Sinnhaftigkeit und die Wirkung, die wir erzielen wollen mit unserer Arbeit.

Wir haben die Vorstellung vor allem selbstbestimmt und unabhängig im eigenen Unternehmen zu arbeiten. Wir sind gut ausgebildet und möchten in der Selbstständigkeit den eigenen Entfaltungsspielraum vergrößern, unsere vielfältigen Kompetenzen voll ausleben und selbstverantwortlich arbeiten. Mit dem Wunsch ein erfülltes Berufsleben mit Familie und Freizeit zu vereinbaren.

Wir haben sehr wohl die Vorstellung, dass die fachliche und persönliche Kompetenz einen höheren Stundensatz wert ist. Aber die Kasse klingelt nicht richtig oder nicht oft genug. Woran liegt das?

In der Selbständigkeit gibt es grundsätzlich sehr viel mit dem du dich beschäftigen kannst, was dich aber finanziell nicht weiterbringt. Dabei fallen mir besonders drei Punkte auf:

Punkt 1: Wir brauchen eine differenzierte Betrachtung von kostenfreien Angeboten. Angebote, die mit deinem persönlichen Erscheinen verbunden sind, sollten in der Regel nicht kostenfrei sein. Wenn du als Expertin, Speakerin etc. für einen Workshop, Konferenz, Panel etc. angefragt wirst, solltest du dafür einen Preis haben. Wenn deine Kasse stimmt, empfehle ich dir ein Budget für ehrenamtliche Beiträge aufzumachen, die du dir jährlich zur Verfügung stellst und darüber hinaus verwendest du keine Zeit.

Punkt 2: Netzwerkarbeit ist deine Arbeitszeit. Hier ist es sehr schwierig eine Grenze zu ziehen. Zum einen benötigt es Zeit, um über Netzwerke Beziehungen mit potenziellen Neukunden aufzubauen. Zum anderen solltest du unterscheiden, ob du hier für dich ein Netzwerk aufbaust oder für andere Netzwerkarbeit machst. Beachte, dass du dich selbst nicht in eine ehrenamtliche Tätigkeit weiter involvierst, wenn du dafür weiter kein ehrenamtliches Budget hast und es nicht direkt auf einen finanziellen Erfolg hinführt. Bestehende Netzwerke, die dir keine Bühne für dich und dein Angebot geben, sind dann reines Hobby. Ja, es darf auch einfach nur Spaß machen. Aber es macht keinen Spaß, kein Geld in der Kasse zu haben.

Punkt 3: Wir haben zum Beispiel Familie mit Kindern und vielleicht schon pflegebedürftige oder zumindest zeitintensivere Elternbetreuung. Das kann oft sehr anstrengend sein und doch viel Freude bringen. Auch wir wollen uns gebraucht und geliebt fühlen, im Kontakt sein und eine gute Qualität in unseren Beziehungen haben. Das braucht Zeit und Aufmerksamkeit. Besonders dann, wenn wir Konflikte miteinander haben oder auch im Patchwork-Modell leben.

Diese Beobachtung wird mit dem Gleichstellungsbericht 2021 bestätigt. Aus Sicht der Sachverständigenkommission bleibt die berufliche Selbstständigkeit, und hier insbesondere die Soloselbstständigkeit, eine gleichstellungspolitische Herausforderung. Problemidentifizierung Gleichstellungsbericht 2021:

  • Trotz der Verankerung im Gesetz ist die Gleichstellung von Mann und Frau noch nicht im Lebensalltag angekommen.
  • strukturellen Barrieren zählen die fehlende oder mangelnde soziale Sicherung, der Einfluss der Geschlechterstereotypen und fehlende Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Die zu beobachtende hohe Fluktuation, ein europaweites Phänomen, wirft ein Schlaglicht auf die Arbeits- und Unternehmenskultur in der Digitalbranche.… männlich geprägtem Arbeitsumfeld und …in diesen Unternehmen verbreiteten Arbeitsmethoden zentrale Gründe für die geringe Verbleibdauer von Frauen. 
  • Durch das Stereotyp ist für Frauen der Zugang zu Gründungskapital in der Digitalbranche besonders erschwert. …Koordinierte Unterstützungsangebote sollten ausgebaut, erweitert und geschlechtergerechte Förderprogramme aufgesetzt werden. 

Berufliche Selbstständigkeit in der Digitalbranche 

  • 15,7 Prozent der Start-ups werden von Frauen gegründet 
  • 5 Prozent der Gründungen in der Hightechbranche erfolgen von Frauen (ZEW-Sonderauswertung) 
  • Zugangsbarrieren zu Gründungskapital: Risikokapital erhalten zu 17 Prozent Männerteams, zu 5 Prozent Frauenteams 
  • Frauenteams setzen deutlich häufiger Kapital von Familie und Freunden ein (45 Prozent gegenüber 30 Prozent bei Männerteams)
  • und greifen etwas häufiger auf eigene Ersparnisse zurück (84 Prozent gegenüber 80 Prozent).

Gender Care Gap als Indikator entwickelt:

  • Frauen wenden demnach täglich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. 
  • der Gender Care Share lag im Durchschnitt aller gemischtgeschlechtlichen Paare in Deutschland im Jahr 2017 bei 66 Prozent 
  • Dabei zeigten sich folgende Wirkungen: 
  • Frauen und Männer weiteten im Homeoffice ihre unbezahlte Sorgearbeit aus, allerdings Frauen stärker als Männer. 
  • Frauen und Männer neigen bei starker Verschränkung von Erwerbs- und Sorgearbeit zu einer gesundheitlichen Selbstgefährdung

Impulse für deinen Arbeit in Selbständigkeit mit Familie und Ehrenamt:

Schaffe dir zu erst strukturierte Ablaufprozesse mit Aufgaben zur finanziellen Sicherung. Verknüpfe deine Aufgaben mit Geld, so dass dein persönlicher Anteil Care Arbeit deutlich wird. Erstelle dir eine persönliche Auswertung, in der du erkennen kannst, wie viel prozentuale Arbeitszeit und Geld in deine Selbständigkeit, in Care Arbeit und Me Time stecken

Bedenke, dein Tag hat 24 Stunden und du hast genau nur 100% Tagesenergie. Wenn du dann noch etwas übrighast, kannst du über eine ehrenamtliche Tätigkeit nachdenken. Du bist wichtig und richtig, auch wenn du einmal nur an dich denkst.

Bleib gesund und munter,

deine Yvonne

Kulturwandlerin